In den letzten Jahrzehnten wurde mit den wachsenden globalen Herausforderungen...
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AUF DER STRAßE ZU HAUSE
von Nadja Brokmann
Eine junge Person mit dem Handy in der Hand filmt sich dabei, wie er oder sie einem Obdachlosen einen Friseurbesuch, einen Anzug oder sogar eine Übernachtung im Luxushotel anbietet. Ein typisches Video auf Plattformen wie YouTube, TikTok und Co.
Mit solchen Videos ist Obdachlosen in der Regel jedoch nicht langfristig geholfen. Für den Influencer ist dieser vermeintliche Altruismus meist mehr ein Mittel zum Zweck, um sich am Leid anderer zu bereichern.
Doch warum fange ich genau mit diesem Thema an? Diese Videos geben ein allgemeines Bild davon ab, wie wir Obdachlose und Obdachlosigkeit in unserer Gesellschaft betrachten. Viele wollen wegschauen, das Elend, welches Obdachlosigkeit mit sich bringt, nicht sehen, außer es wird echter oder vermeintlicher Altruismus gegenüber einzelnen Individuen gezeigt. Dieses in vielen Teilen der Gesellschaft verbreitete Bild spiegelt sich nicht nur im Handeln einzelner Individuen wieder, sondern auch in der Art, wie wir Städte bauen und auch ausstatten. Das Stichwort hier lautet „Hostile Arcitecture“ oder zu deutsch „Defensive Architektur“. Doch was ist das überhaupt? Defensive Architektur beschreibt eine Bauweise, die sich gezielt gegen Obdachlose, aber auch andere marginalisierte Gruppen wie Suchtkranke richtet. Hierbei werden dann z.B. Bänke so abgeschrägt, dass es nicht mehr möglich ist, auf ihnen zu schlafen oder trockene, windgeschützte Abschnitte unter Autobahnbrücken mit Spikes versehen, damit sich Obdachlose dort keine Schlafplätze aufbauen können. Hierfür gibt es natürlich auch lokale Beispiele. Steigt man in Oldenburg aus dem Zug und nimmt den Ausgang in Richtung Innenstadt, so wird man nicht nur von einer Betonwüste begrüßt, sondern auch von Metallbänken, die Bewohnern und Bahnfahrern eine Sitzmöglichkeit bieten sollen. Durch Armlehnen wird aber auch gleichzeitig verhindert, dass die Obdachlosen, die sich in der Nähe des Bahnhofs aufhalten, nicht auf den Bänken schlafen können. Geht man dann vom Vorplatz ein kleines Stück weiter nach rechts, sieht man den gelb angemalten Betonblock der einstigen Postbankfiliale, wo sich vor allem in den kalten und windigen Wintermonaten Obdachlose aufhalten. Direkt daneben ist ein noch besser vor Wind und Wetter geschütztes Parkhaus. Teile der Anlage sind abgezäunt. Suchen die Obdachlosen dort Schutz vor Wind und Wetter, müssen sie schnell den Platz räumen. Dieses Phänomen gibt es natürlich nicht nur in Oldenburg, sondern in vielen Städten nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen Welt. In Erfurt werden Fensterbänke von Geschäften mit Metallstreben versehen. In Stockholm errichtet man Zäune um Treppen herum. Und all dieser Aufwand nur, um Obdachlosigkeit nicht sehen zu müssen unter dem Vorwand, die Städte würden so schöner. Das hat auch Auswirkungen darauf, was es für eine Person bedeutet, obdachlos zu sein: Viele fühlen sich ihrer Menschenwürde beraubt.
Nur weil man defensive Architektur verwendet, lösen sich Obdachlose und das strukturelle Problem der Obdachlosigkeit nicht in Luft auf. Wir müssen hinschauen. Klar aufzeigen, dass der Wert eines Menschen nicht in seiner Leistungsfähigkeit besteht. Auch Obdachlose haben ein Recht darauf, mit Würde behandelt und nicht aus dem Sichtfeld gedrängt zu werden, damit sich die Besucher der Innenstadt nicht von Elend belästigt fühlen.
Fotos: Matt Collamer auf unsplash.com
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