Nachhaltiger Wald

ENTSPANNUNG PUR IN DER NATUR

von Geeske Schaprian und Jolina Stübben

Ein süßlich herber Geruch fliegt uns in die Nase, als wir am Neuenburger Wald nach einer holprigen Busfahrt ankommen. Bepackt mit Regenkleidung und Stiefeln zieht die Redaktion gemeinsam mit der Försterin Frau Schmidt los.

Vogelgezwitscher ist zwar durchgehend wahrzunehmen, doch ein dezenter Gesang (eher Gekrächze) ist kaum zu ignorieren. Weit oben in den Baumkronen des Neuenburger Holzes lauert die Waldpolizei, der sogenannte Eichelhäher, welcher andere Bewohner des Waldes vor Eindringlingen warnt, erklärt uns Frau Schmidt. Nach geraumer Zeit scheint auch der blau schimmernde Vogel bemerkt zu haben, dass wir in friedlicher Absicht kommen, und er verschwindet in die Tiefen des Waldes.

Bei unserer Rundführung besprechen wir immer wieder die zwei wichtigsten Daseinsgrundfunktionen eines jeden Waldes. Ist eine von den Funktionen geschwächt, resultieren einhergehende Probleme daraus.

Einer der entscheidenden Faktoren ist der Lichteinfall. Denn wie wir alle aus der Schule wissen, betreiben Pflanzen Fotosynthese und produzieren somit Stoffe, die sie fürs Überleben brauchen. Übrigens verbrauchen Pflanzen Kohlenstoffdioxid und produzieren Sauerstoff, weshalb es Gebiete wie Wälder aus umweltfreundlicher Perspektive umso mehr zu schützen oder gar zu fördern gilt.

Wir können während unseres Rundgangs entdecken, dass sich an einigen Bäumen Efeu in Richtung Baumkrone entlanghangelt. Ob das ein Problem darstellen könnte? Ja und Nein, antwortet uns Frau Schmidt. Es könne zu Problemen kommen, wenn der Efeu die Blätter des Baums bedeckt, so dass der Lichteinfall behindert wird. Denn somit könne der betroffene Baum keine Fotosynthese betreiben und es komme im schlimmsten Fall zum Baumsterben. Frau Schmidt gibt hier jedoch Entwarnung, da im Neuenburger Holz dieses Problem nicht bestehe. Man könne die Beziehung zwischen Efeu und Baum eher als eine Koexistenz betrachten. Das bedeutet, dass beide Parteien nebeneinander bestehen können, ohne dass der jeweils andere behindert wird.

Das Wasser definiert vor allem im Hinblick auf den Boden die zweite Grundvoraussetzung. In den vergangenen Jahren hat sich gezeigt, dass Deutschlands Böden aufgrund mangelnden Regens eher trocken und hart waren. Dies hat zur Folge, dass die Wurzeln der Bäume sich nicht tief genug in die Erde verankern können. Somit fehlt den Bäumen wortwörtlich der Anker und sie kippen leichter um.

Außerdem hat eine Wasserknappheit zur Folge, dass das Gehölz kein Harz produzieren kann, welches essenziell für die Gesundheit des Baums ist. Jenes ist nämlich ein Schutzmechanismus zum Ausspülen von Fremdkörpern und gleichzeitig auch zum Verschließen von Wunden.

Dies kommt dem komplexen menschlichen Immunsystem sehr nahe. Ist das nicht faszinierend?

Glücklicherweise gab es 2023 reichlich Niederschlag, so dass die Böden überwiegend ihre Trockenheit überwinden konnten.

Wichtig für das Grundthema der Nachhaltigkeit ist auch die Biodiversität. Während unserer Tour durch den bewirtschafteten Teil des Neuenburger Waldes können wir viele Fruchtbäume und -sträucher ausfindig machen. Dabei sind besonders Kirsch- und Wildapfelbäume sowie Brombeersträucher präsent. Für uns Menschen seien gerade die Äpfel eher unappetitlich aufgrund ihres erhöhten Säuregehalts, aber die Tierwelt profitiere aus der bereitgestellten Nahrungsquelle, erläutert Frau Schmidt.

Wir sind zudem fasziniert davon, dass sich die Brombeeren frei und natürlich verjüngen, sich also vermehren. Aufgrund des hohen Stickstoffgehalts im Boden sei die Wachstumsrate so hoch, dass die Verjüngung teils von Menschenhand gestoppt werden muss, da ansonsten die Gefahr einer Monokultur entstehen könnte.

Zudem erklärt uns Frau Schmidt, dass der Wald viele verschiedene Nadelbaumarten besitze, obwohl nur die Kiefer heimisch sei. Die anderen Nadelbaumarten wurden vom Menschen im Sinne der Biodiversität angepflanzt. Unter den vielen Baumarten hebe sich vor allem die Lärche von den anderen ab, da sie als einziger Nadelbaum ihre Nadeln im Winter verliert. Dies hinge wiederum mit der Verjüngung zusammen, die Lerche vermehrt sich also verhältnismäßig schneller als ihre Konkurrenten.

Insgesamt kann man also festhalten, dass viele verschiedene Komponenten den Faktor ,,Biodiversität“ definieren.

Doch Nachhaltigkeit ist noch viel weitreichender.

Es bedeute auch, dass man den Wald und seine Ressourcen nicht ausraubt, erklärt uns die Försterin. Dafür gebe es die sogenannten ,,Habitatbäume“. Das heißt, dass jene Bäume trotz Erntezeit unberührt bleiben, damit ein ausreichender Nährstoffkreislauf besonders für junge Bäume gewährleistet wird.

Der Wald biete eine Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion, welche man respektieren muss.

Frau Schmidt berichtet, dass das Ziel ein ,,durchwachsener Wald“ sei. Das bedeutet ein Zusammenspiel zwischen jungen und alten Bäumen, so dass eine Kreiswirtschaft resultiert. Auf diese Weise könne für einen gesunden Walderhalt gesorgt werden.

 

Die bewirtschaftete Waldfläche erstreckt sich über circa 600 Hektar, doch was das Neuenburger Holz zu einer Besonderheit macht, sind die 25 Hektar Urwald.

Doch was macht es so einzigartig?

Beim Betreten des Urwalds fällt uns auf, dass der Abschnitt deutlich dunkler und dicht bewachsener ist im Vergleich zum Forstwald. Zudem können wir viele umgekippte Bäume erblicken, die frei und teils mitten in unserem Weg liegen. Das liegt daran, dass die Urwaldbäume nicht dem wirtschaftlichen Zwecke dienen. Sie werden vom Menschen in Ruhe gelassen und sterben somit in der Regel einen natürlichen Tod.

Der Urwald ermöglicht folglich einen Raum für eine natürliche Waldentwicklung und dient den Försterinnen und Förstern zur Beobachtung und Forschung der Naturentwicklung.

Nun stellt sich die Frage, wie man sich eigentlich diesen Beruf aneignen kann.

Im Zuge unserer Führung durch das Neuenburger Holz machen wir auch einen Stopp an der Lehrwerkstatt. Dort befindet sich das Material- und Fahrzeuglager, sowie die Ausbildungswerkstatt für die Auszubildenden zur Forstwirt/in. Frau Schmidt, die neben ihrem Beruf als Försterin auch die Pressesprecherin des Forstamtes Neuenburg ist, berichtet uns hier über die verschiedenen Berufe im Forst, die alle Hand in Hand gehen und zusammenarbeiten. So erzählt sie uns vom Beruf der Förster/in, für den heute ein Studium an einer Fachhochschule oder einer Universität nötig ist. Erlangt man dort den Bachelor, kann man sich für den Beruf des Revierleiters/der Revierleiterin entscheiden. Um das Studium dieses Berufes vollends abzuschließen, muss noch ein Vorbereitungsdienst, ähnlich eines Referendariats bei Lehrenden, abgeschlossen werden. Daraufhin steht die Staatsprüfung an, die als Abschluss des Studiums dient und in das Berufsleben als Revierleiter/in einläutet. Dieser Beruf wird auch als klassisches Bild des Försters/der Försterin dargestellt, da die Hauptaufgaben die nachhaltige Waldpflege und Holzernte sind, wie auch die direkte Arbeit mit Holz, der Naturschutz und der Verkauf von Holz. Wird während des Studiums zudem der Master erlangt, wartet der Berufsweg als Forstamtsleitung. Frau Schmidt erklärt, in diesem Beruf sei man eher Manager und man sei nicht mehr viel in Kontakt mit dem Holz an sich. Wie der Name sagt, übernimmt man in diesem Beruf die Leitung eines Forstamtes, das aus mehreren Revieren besteht. Nach Abschluss des Studiums kann man allerdings nicht nur die genannten Berufe ausüben, sondern auch in vielen anderen Bereichen wie in der Politik, dem Naturschutz oder auch der Forschung tätig werden.

Wenn man keine Lust auf ein Studium hat, kann man auch eine dreijährige Ausbildung zum Forstwirt/zur Forstwirtin machen. In diesem Beruf kann man praktisch anpacken und den Wald pflegen, zum Beispiel durch das Neupflanzen von Wäldern, das Ernten des Holzes mit Hilfe der Motorsäge oder die Hilfe bei der Jagd. Frau Schmidt betont zum Ende dieses Themas hin, dass auch ein Praktikum oder ein Zukunftstag im Forstamt Neunburg möglich seien.

Als wir für unseren Besuch ein wenig Recherche betrieben, entdeckten wir auf der Webseite des Niedersächsischen Landesforsten (NLF) Angaben wie „Damwild 4,50€/kg“ oder „Rehwild 5,00€/kg“. Dies lies uns stutzen, also fragen wir direkt bei Frau Schmidt bezüglich des Themas Jagd im Forstamt Neuenburg nach. Und tatsächlich: Es wird im Neuenburger Holz gejagt, doch das sei auch notwendig, denn Dam- und Rehwild fressen die Rinde junger Bäume und verhindern so das Nachwachsen neuer Bäume. Dadurch, dass Beutegreifer wie der Wolf lange Zeit nicht in unseren heimischen Wäldern zu finden waren, mussten die Forstämter die Aufgabe der eigentlichen Jäger übernehmen und eine von der Jagdbehörde festgelegte Anzahl an Wild erlegen, um die Wilddichte in dem Rahmen zu halten, in dem ein natürliches und notwendiges Baumwachstum zur Erhaltung des Waldes möglich ist. Natürlich wird bei der Jagd nicht jedes beliebige Tier erschossen, sondern vom schwachen Ende aus, also z.B. alte oder kranke Tiere gejagt und z.B. eine Mutter, die ihr Junges säugt, wird nicht geschossen. Falls man nicht im NLF angestellt ist, kann man sich auch eine sogenannte „Jagdgelegenheit“ gegen Bezahlung mieten. So kann man auf einem bestimmten Stück Wald für ein Wochenende jagen oder es auch für länger mieten, wobei man die Regeln beachten muss, die vom zuständigen Forstamt z.B. auch zum Schutz der Tiere aufgestellt werden. Frau Schmidt merkt hier an, dass sie die Jagd für eine verantwortungsvolle und mit Respekt zu behandelnde Aufgabe hält, da über den Tod von lebenden Tieren entschieden wird. Um die Artenvielfalt zu gewährleisten, gibt es neben den begrenzt erlaubten Abschusszahlen auch eine zweimonatige Jagdruhe von Februar bis März. Damit das nachhaltige und artgerechte Wildfleisch dann, wie auf der Website angegeben, verkauft werden kann, wird es vom Zeitpunkt des Todes an hygienisch wie ein Lebensmittel und mit Respekt behandelt.

Manche werden sich jetzt vielleicht denken, dass die Jagd doch bald nicht mehr nötig sein wird, da der Wolf wieder in Deutschland heimisch wird. Dies ist jedoch kaum wahrscheinlich, da Frau Schmidt selbst noch nie einen Wolf im Wald entdeckt hat: „Er ist da, aber man stolpert nicht jeden Tag über einen“. Allerdings sieht das Forstamt die Wölfe an sich nicht als Problem an, wie manche Landwirte es tun, da die Konflikte rund um den Wolf nicht den Wald betreffen. Sie stehen dem Wolf eher neutral gegenüber, sind ihm gegenüber offen und freuen sich aus der Sicht der Artenvielfalt über einen neuen Waldbewohner.

Somit gehört der Wolf nicht zu den Problemen des Waldes, doch auch ohne ihn hat der Wald mit genügend anderen Problemen zu tun. So kommen wir während unserer Tour an einer ziemlich verwüsteten Stelle mitten im dicht bewachsenen Wald vorbei. Hier sind bei einem starken Sturm viele Bäume von den Sturmwinden umgerissen worden und nur wenige sind verschont geblieben, wie uns Frau Schmidt erklärt. Manche Bäume wurden sogar mitsamt ihrer Wurzel herausgerissen, so etwas nennt man Sturmwurf. Die abgebrochenen Bäume, deren Wurzeln immer noch in der Erde stecken, nennt man Sturmbruch. Nach dem Sturm mussten die am Boden liegenden Baumstämme entfernt werden, damit sich in den vom Wasser geschädigten Bäumen nicht der Borkenkäfer einnistet. Das geborgene Holz wurde verkauft, um Kosten zu decken. Der Borkenkäfer wurde auch von der Wärme und Trockenheit der vergangenen Jahre angelockt, die viele Bäume geschädigt haben, und hat sich in z.B. Fichten eingenistet. Sie hatten zu wenig Wasser aufgenommen, um Harz zum Ausspülen der Borkenkäfer zu bilden und so konnte er gut in die Fichten eindringen und zum gewaltigen Baumsterben z.B. im Harz beitragen. Diese Trockenheit ging in den letzten Jahren bis zu 2 Meter tief in die Erde, doch das Jahr 2023 brachte zum Glück viel Regen mit sich, mit dem schon lange niemand mehr gerechnet hatte und konnte die katastrophale Trockenheit eindämmen. Obwohl die Zukunft in dieser Hinsicht von den Medien meist düster präsentiert wird, gibt es nicht nur die Missstände durch Katastrophen und anderen Problemen. Wichtig ist eher hervorzuheben, dass durchaus auch Fortschritte und Erfolge existieren.

Zusammenfassend lässt sich schließlich festhalten, dass Wald nicht gleich Wald ist. Er ist vielmehr ein ökologisches Zusammenspiel aus Pflanze, Tier und Mensch, in dem sich alles gegenseitig bedingt. Bevor wir das einzigartige Gehölz verlassen dürfen, müssen wir uns bei der altbekannten Waldpolizei wieder abmelden. Die Kaktus-Redaktion bedankt sich herzlich bei Wibeke Schmidt für den lehrreichen und Ruhe spendenden Gang durch den Neuenburger Urwald.

Fotos: Kaktus

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