Gelassenheit in Krisenzeiten

WAS WÄRE WENN...?

Mit Sicherheit kommt es euch bekannt vor: Neuigkeiten aus dem eigenen Leben werden verschluckt von Klimakatastrophen, deprimierenden Studien über die Entwicklung Deutschlands und provokativen Ankündigungen von Nuklearangriffen. Für Zukunftsangst gibt es mehr Gründe, als mir lieb sind aufzuzählen.

Gerade jüngere Menschen unter 30 fühlen sich betroffen vom gegenwärtigen Zustand unserer Welt. So sorge auch ich mich oft um die Zukunft unseres Landes und somit zwangsläufig um die Zukunft meines eigenen Lebens. Ich schreibe diesen Artikel zum einen für all diejenigen, denen es ähnlich geht, aber auch um für mich selbst herauszufinden: Wie finden wir in einer Zeit, gezeichnet von Krisen, am besten unser eigenes Glück?
Oft schaffe ich es, meine Sorgen vor der Zukunft erfolgreich durch Verdrängen zu bewältigen. Kürzlich schaute ich vor dem Einschlafen noch einmal schnell auf mein Handy und wurde bombardiert von Nachrichtenmeldungen, in diesen es hieß: BBC:“ Will Putin go nuklear?“, „ZDF: Trump droht mit NATO-Ausstieg“ und zwischendrin jungen Weltverbesserern, die die Gesellschaft bekehren wollen. Ich konnte nicht umhin, die Meldungen anzuklicken, schließlich hoffte ich darauf, besänftigt zu werden und die besorgniserregenden Überschriften in einen weitaus weniger tragischen Kontext schließen zu können. Leider handelte es sich tatsächlich um bewegende Nachrichten. Als ich mein Handy zur Seite legte, um zu schlafen, plagten mich weiterhin Sorgen über Krieg und Leid. Was, wenn ich morgen aufwachen würde und die Welt in Trümmern läge?
Etwas, das ich mir im letzten Jahr angeeignet habe, ist die Achtsamkeit. Was zunächst nach esoterischer Psychologie klingen mag, stellte sich für mich als tatsächlich wirksam und effektiv heraus. Achtsamkeit bedeutet, die Gegenwart möglichst bewusst, aber wertungsfrei wahrzunehmen, Zustände, wenn nötig, radikal zu akzeptieren und auf sein Umfeld und sich selbst achtzugeben. Auf meinem Weg zur Achtsamkeit hat es mir geholfen, meine Sorgen zwar ernst zu nehmen, aber die eigene Person vor allem mit Selbstironie zu betrachten. Achtsamkeit soll keine personifizierte spirituelle Yogalehrerin sein, sondern bezieht sich rein auf die kognitive Gedankenebene und die daraus resultierenden Handlungen. Ich selbst bin oft rationaler, als mir eigentlich lieb ist und ich tue mich schwer damit, an Prozesse zu glauben, die auf der rein kognitiv-emotionalen Ebene stattfinden. Daher ist mir auch der Glaube an Übernatürliches eher fremd. Was ich damit sagen möchte: In der Gesellschaft wird die Achtsamkeit oft belächelt und mit dem Glauben an Spirituelles assoziiert, was keinesfalls stimmt. Achtsamkeit ist der Psychologie zuzuordnen und kann große Veränderungen im Menschen bewirken. Im Bezug auf gesellschaftliche oder globale Krisen bedeutet die Achtsamkeit, die Existenz dieser zunächst einmal zu akzeptieren und zuzulassen. Etwas verändern zu wollen, das unwiderruflich ist, kann zu enormem Frusterleben führen. Stressig oder frustrierend finden wir es, uns einem Umstand annehmen zu müssen, den wir eben nicht ändern können. Stattdessen ist es hilfreich, die entsprechenden bewegenden Probleme insofern zu beeinflussen, wie es uns möglich ist. Was übrigens auch für all diejenigen, die noch nicht von der Achtsamkeit überzeugt sind, zu empfehlen ist, ist die komödiantische Krimireihe „Achtsam Morden“. „Achtsam Morden“ handelt davon, wie die Achtsamkeit dem gestressten und erfolglosen Rechtsanwalt Björn Diemel zu einer entspannteren Lebenslage verhilft. Dieser ist zu Beginn noch nicht vom achtsamen Lebensstil begeistert, als seine Frau ihm ein Achtsamkeitsseminar verordnet. Ihr zuliebe nimmt er, wenn auch voreingenommen, daran teil und wird zu einem durch und durch gelassenen Menschen. Sogar einen Mord kann Björn mit seinem Gewissen vereinbaren.

Sowie ich mich mit dem Thema auseinandersetzte, stieß ich schon bald auf einen philosophischen Band, der allerseits angepriesen wurde: „Über die Heiterkeit und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte“ vom Journalisten Axel Hacke. Hacke setzt sich in seinem Buch mit dem Streben nach einem unbeschwerten Leben auseinander und damit, wie man Gelassenheit in einer Zeit wie dieser, die von lauter Krisen geprägt ist, am besten in seine Lebenseinstellung etablieren kann.
„Lange Zeit habe ich gedacht, dass in meinem Leben die Angst der Motor war, der mich vorantrieb. Das war falsch. Was mich weiterbrachte, war die Sehnsucht nach Heiterkeit. Doch wie kann es uns gelingen, das eigene Dasein nicht nur mit Büchern, Filmen und Musik aufzuheitern, sondern Heiterkeit aus sich selbst zu schöpfen, kurz: ein heiterer Mensch zu werden?“
Recht zu Anfang seines Buches stellt Axel Hacke fest, dass, obgleich einem die gegenwärtigen globalen Krisen immer als die herausfordernsten der Lebzeit erscheinen, beinahe jedes Jahrzehnt von globalen Katastrophen zeugt. Die militärische Aufrüstung in den 1980er Jahren mit Sorge vor einem Atomkrieg, die Häufung von Anschläge in den 90ern und schließlich der tragische Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001, um einige Beispiele zu nennen. Uns erscheint stets die jeweils nachkommende Generation, die „Jugend von heute“, als nachlässige und unzumutbare Zukunftsgestalter, und doch haben auch die vorangegangenen Generationen eine Gesellschaft geschaffen. Bei jeder politisch heiklen Lage sorgen wir uns um den Erhalt der Demokratie und fürchten, die Welt könne signifikant und unwiderruflich verändert werden. Tatsache ist, was im Speziellen wir als Jugendliche oder junge Erwachsene nicht erlebt haben: Dass die Zivilisation noch auf jede noch so brenzlige nationale wie internationale Lage in einer Weise reagiert hat, die ermöglicht, dass wir heute ein privilegiertes Leben in Deutschland führen können. Ich habe mich bereits mit einigen Personen über die scheinbare Krisenzeit, in der wir leben, besprochen, darunter die Mehrheit, die in den 80er Jahren aufgewachsen ist und somit schon einige jener globalen Krisen miterlebt haben. Diese blicken der Zukunft im Schnitt dank ihrer Lebenserfahrung deutlich gelassener entgegen.
Im Herbst 2024 veröffentlichte die Tagesschau eine Übersicht, die die Zufriedenheit der Deutschen in einer Grafik darstellen sollte. Eine grundsätzlich geringere Lebenszufriedenheit wurde insbesondere im Osten Deutschlands sowie im Saarland festgestellt. Mich überraschten die Daten nicht sonderlich. Schließlich hat Deutschland nicht grundlos das internationale Vorurteil inne, eine unzufriedene und korrekte Bevölkerung zu haben. Bei manch einem Bekannten scheint mir, er würde buchstäblich von der Unzufriedenheit und dem Aufregen über Arbeitskollegen und Politik zehren. Es ist förmlich Teil unserer Kultur geworden, uns allerseits über Nichtigkeiten zu beschweren. So lustig und karikaturistisch es auch in mancher Situation sein mag, sind Deutsche weniger offen und und spontan als beispielsweise Menschen im Süden der Welt. Wer grundsätzlich schnell reizbar ist, kann die Achtsamkeit schwieriger in sein Leben etablieren und auf Schwierigkeiten weniger resilient reagieren.
Was können wir nun aktiv gegen die vorhandenen Ängste tun? Schlicht und ergreifend funktioniert es nicht, die Probleme und Sorgen zu verdrängen, da wir alle früher oder später damit konfrontiert sind, uns mit ihnen auseinanderzusetzen. Sich überhaupt nicht mehr über das Weltgeschehen zu informieren, ist schließlich auch keine Lösung. Eine sichere Antwort auf diese Frage kann einem leider niemand gewähren, jeder Mensch muss sie sich individuell beantworten. Es gibt allerdings einige Strategien, die auf Handlungsebene umsetzbar sind:
1. Selbst aktiv werden: Auch wenn ein einziger Mensch zu globalen Krisen verhältnismäßig wenig beitragen kann, befriedigt es oftmals, selbst zu einer besseren Zukunft beizutragen. Bestenfalls sollte man sich hier auf eine Thematik spezialisieren, die man unterstützt, um auch dem eigenen Wohlbefinden nicht zu schaden. Was auf Makroebene geschieht, kann auch im kleineren Rahmen auf Mikroebene verändert werden. Ob Tierschutz, soziale Arbeit oder Einsatz für Demokratie und Gleichberechtigung, zahlreiche Ehrenämter bieten die Möglichkeit, sich zu engagieren.
2. Sich mit anderen austauschen: Der Austausch über jene Krisen kann zweierlei bedeuten. Einerseits kann man sich mit Mitmenschen über ein Thema, welches einem Sorgen bereitet, unterhalten, vielleicht beschwichtigt werden oder Zustimmung erfahren. Zum anderen kann es helfen, über die Ängste als solche zu sprechen und zu validieren.
Mit einer anderen Person um sich herum kann es außerdem besser gelingen, sich abzulenken und den Fokus auf ein lockeres Thema oder eine angenehme Aktivität zu verändern.
3. Nachrichtenkonsum zeitlich festlegen: Jemandem, der über den Tag hinweg ständig einzelne Nachrichtenmeldungen anschaut, erscheinen besorgniserregende Ereignisse in Politik und Wirtschaft besonders einnehmend. Stattdessen kann man spezielle Zeitfenster festlegen, in denen man sich mit dem Weltgeschehen auseinandersetzt, beispielsweise morgens auf dem Weg zur Schule die aktuellen Nachrichten liest und am Abend die Hauptnachrichten schaut.
4. Humor und Satire: Ich sprach weiter oben im Artikel bereits von der Heiterkeit, einer Leichtigkeit, Herausforderungen zu begegnen. Es kann äußerst beruhigend sein, einen humorvollen Blick auf das Weltgeschehen zu werfen. Für ihren humorvollen Blick auf das aktuelle Weltgeschehen werden Satiresendungen wie die heute show vom Publikum geliebt.

Oftmals kommen wir über Zukunftsängste und andere Sorgen ins Grübeln. Befindet man sich in einem Gedankenkarussell, ist es schwer, die Kette von drängenden Gedanken zu durchbrechen. Ich persönlich kenne jene Gedankenschleifen von spät abends vor dem Einschlafen. Stundenlanges Grübeln, das einen vom erholsamen Schlaf abhält, mag in dem Moment selbst zwar notwendig wirken; sinnvoller ist es aber, einen Zeitpunkt zu suchen, der besser geeignet ist, um sich mit dem bestimmten Thema auseinanderzusetzen. Am besten definierst du das vorgesehene Zeitfenster recht genau. Beispielsweise kannst du dich abends versichern, dass deine Sorgen am nächsten Nachmittag bei einem guten Freund oder einer Freundin oder einem Familienmitglied gut aufgehoben sind. Falls es insbesondere am Abend aussichtslos scheint, zur Ruhe zu kommen, sind für den Moment auch entspannende Düfte, Tees mit Melatonin oder eine Dusche zu empfehlen.
Teilt gerne in der Kommentarspalte, ob ihr diese Art von Ängsten auch kennt oder was euch schon im Umgang damit geholfen hat!

Fotos: Dedee Geli, Markus Spiske und Alejandro Pinero Ameiro auf unsplash.com

Weitere Artikel dieser Ausgabe findet ihr hier:

Titelthema

Schule

Panorama

Sport

57