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NOT ALL MEN; BUT ALWAYS MEN
„Not all men, but always men“ – dieser Satz taucht immer wieder auf, wenn es um Gewalt gegen Frauen geht. Er drückt aus, dass nicht alle Männer Täter sind, aber fast alle Täter Männer.
Es ist ein Satz, der zugleich eine Verteidigungshaltung und eine unbequeme Wahrheit in sich trägt. Doch warum ist es so wichtig, über diese Realität zu sprechen? Und warum stoßen feministische Forderungen nach mehr Sicherheit für Frauen oft auf Abwehr?
Gewalt gegen Frauen ist kein Einzelfall
Laut UN-Statistiken erleben weltweit etwa 35 % der Frauen in ihrem Leben mindestens einmal physische oder sexuelle Gewalt. In Deutschland wurden im Jahr 2023 laut BKA 360 Frauen von ihrem (Ex-)Partner getötet – fast jeden Tag stirbt also eine Frau durch die Hand eines Mannes, mit dem sie einmal in einer Beziehung war. Und das sind nur die Fälle, die bekannt wurden.
Doch Gewalt gegen Frauen beschränkt sich nicht auf Morde. Catcalling, Stalking, häusliche Gewalt, sexuelle Übergriffe – all das sind Formen von geschlechtsspezifischer Gewalt, die oft als „Einzelfälle“ oder „private Angelegenheiten“ abgetan werden. Doch sie sind Teil eines Systems.
Die Abwehrreaktion: „Nicht alle Männer!“
Sobald das Thema Gewalt gegen Frauen aufkommt, gibt es eine typische Reaktion: „Aber nicht alle Männer sind so!“ Und das stimmt – nicht jeder Mann ist ein Täter. Doch das Problem mit dieser Aussage ist, dass sie vom eigentlichen Thema ablenkt.
Wenn Frauen über ihre Ängste oder Erfahrungen sprechen, wird die Debatte oft auf Männer gelenkt, die sich nicht als Täter sehen. Doch es geht nicht darum, einzelne Männer zu beschuldigen. Es geht darum, ein strukturelles Problem sichtbar zu machen. Wenn sich Frauen nicht sicher fühlen, wenn sie nachts allein nach Hause gehen, wenn sie sich beim Joggen umdrehen müssen, wenn sie in Bars belästigt werden – dann ist das keine individuelle Angst, sondern eine gesellschaftliche Realität.
Warum „Not all men“ ein falscher Fokus ist
Das Problem ist nicht, dass nicht alle Männer gewalttätig sind. Das Problem ist, dass Frauen nicht wissen können, welche es sind.
Ein Mann, der einer Frau nachts auf einer dunklen Straße folgt, mag harmlos sein – aber sie kann es nicht wissen. Frauen haben gelernt, vorsichtig zu sein, weil sie es müssen. Weil es immer wieder passiert. Weil es fast immer Männer sind.
Ein anderes Problem mit „Not all men“ ist, dass es Verantwortung verschiebt. Anstatt sich mit den Ursachen von Gewalt zu beschäftigen, wird das Gespräch darauf gelenkt, dass Männer sich angegriffen fühlen. Doch anstatt sich zu verteidigen, könnten Männer sich fragen: Was kann ich tun, um Frauen sicherer zu machen?
But always a man – Was bedeutet das?
Der zweite Teil des Satzes ist der entscheidende Punkt: „Always a man“. Er bedeutet nicht, dass es keine Gewalt von Frauen gibt. Doch wenn es um geschlechtsspezifische Gewalt geht – häusliche Gewalt, Vergewaltigung, Stalking, Ehrenmorde oder Femizide –, dann sind es fast immer Männer, die Täter sind.
Es ist eine unbequeme Wahrheit, aber eine, die sich in Statistiken klar zeigt. Laut einer Analyse des UNODC (United Nations Office on Drugs and Crime) wurden 2023 weltweit 89 % aller Morde an Frauen von Männern verübt. Auch in Deutschland sind die Täter in Fällen von Partnerschaftsgewalt zu über 80 % männlich. Diese Zahlen zeigen: Gewalt gegen Frauen ist keine zufällige Verteilung, sie folgt einem Muster.
Männliche Sozialisation und toxische Männlichkeit
Ein Grund, warum Gewalt oft von Männern ausgeht, liegt in unserer Erziehung. Jungen wird oft beigebracht, stark zu sein, ihre Gefühle zu unterdrücken, keine Schwäche zu zeigen. Verletzlichkeit wird als unmännlich angesehen, Aggression dagegen oft toleriert oder sogar gefördert.
Dieses Konzept, oft als „toxische Männlichkeit“ bezeichnet, bedeutet nicht, dass Männlichkeit per se toxisch ist. Es bedeutet, dass bestimmte männliche Verhaltensweisen – Dominanz, Gewalt, fehlende Empathie – in unserer Gesellschaft immer noch als akzeptabel gelten. Und das hat Folgen.
Studien zeigen, dass Männer, die traditionelle Geschlechterrollen stark verinnerlicht haben, häufiger Gewalt in Beziehungen ausüben. Sie fühlen sich bedroht, wenn Frauen unabhängig sind, wenn sie sich nicht unterordnen. Diese Dynamik ist ein wesentlicher Faktor bei Femiziden, also der Tötung von Frauen wegen ihres Geschlechts.
Was können Männer tun?
Männer, die sich nicht als Teil des Problems sehen, können Teil der Lösung sein. Das bedeutet:
• Zuhören, ohne sich zu verteidigen. Wenn Frauen über ihre Erfahrungen sprechen, geht es nicht darum, Männer zu beschuldigen, sondern um Bewusstsein.
• Andere Männer zur Verantwortung ziehen. Sexistische Witze oder anzügliche Kommentare sind nicht harmlos. Wer so etwas im Freundeskreis oder auf der Arbeit anspricht, setzt ein Zeichen.
• Sich über das Thema informieren. Feminismus ist kein Kampf gegen Männer, sondern für Gleichberechtigung.
• Sicherheitsbedürfnisse von Frauen respektieren. Wenn eine Frau nachts auf der Straße nervös wirkt, hilft es, Abstand zu halten oder auf der anderen Straßenseite zu gehen.
Ein gesellschaftliches Problem braucht eine gesellschaftliche Lösung
„Not all men, but always men“ bedeutet nicht, dass jeder Mann schuldig ist. Aber es bedeutet, dass Gewalt gegen Frauen fast immer von Männern ausgeht. Und genau deshalb ist es wichtig, das Problem nicht kleinzureden, sondern offen anzusprechen.
Feminismus kämpft nicht gegen Männer, sondern gegen Gewalt, Unterdrückung und Ungleichheit. Wer sich gegen Gewalt ausspricht, sollte nicht „Not all men“ sagen, sondern fragen: Wie können wir das gemeinsam ändern?
Fotos: Mika Baumeister und Monica Melton auf unsplash.com
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